Im Profil: Bernd Caspar Dietrich & Hella Sinnhuber

Nur der Durchmesser bleibt gleich. Ein Meter zweiundzwanzig messen seine „Wheels“, die großen Kreise von Bernd Caspar Dietrich, die in der Sammlerszene bereits so bekannt sind, dass sogar Christie’s sie versteigert. Ihr Ursprungsort liegt am Nordrand des Ruhrgebiets, wo Dietrich gemeinsam mit seiner Frau Hella Sinnhuber und kunstbegeisterten Gleichgesinnten vor zehn Jahren den artpark geschaffen hat – ein experimentelles Kultur-Labor zwischen Ölrettich und Leguminosen.

Der Hohe Berg, auf dem der artpark liegt, ist gerade eben hoch genug, dass der Blick sich weiten kann Richtung Niederrhein im Westen und Münsterland im Osten, die großen Städte im Rücken. Nicht mehr Bottrop. nicht Dorsten und Schermbeck; Kreis Wesel so gerade eben erst. Vor ihr: ein Hektar Freiraum, wo Kunst gesammelt und gezeigt wird und wo sie entsteht. Hella Sinnhuber wirkt nicht unglücklich mit der Lage im irgendwo am Nordrand des Ruhrgebiets.

Picasso kommt und schnüffelt, ein braun-weißer Münsterländer, ein Heimatgewächs, gewissermaßen, wie vieles hier. Organisch soll es sein. Die Landschaft wandelt sich, liefert Rohstoffe für Färberworkshops, die Kunst fügt sich ein. Direkt zu Beginn des Rundgangs durch den kleinen Park stolpert man beinahe über die „Erdarbeit“ von Hermann Kassel, ein in den Boden eingelassener Mikrokosmos, ein Biotop unter Glas. Wolfs- und Hasenmenschen lauern im Gebüsch. Irgendwo wogt ein Windspiel aus Metall. Und mittendrin: ein „Thron aus Waffen“, den Armando Mabunda aus Geschosshülsen und Schrapnellen seiner vom Krieg verwundeten Heimat Mosambik zusammengesetzt hat. Ein Mahnmal zum Sitzen.

Hella Sinnhubers ist, laut Website des Artparks, die „gute Seele“. Hinter diesem Begriff verbirgt sich in der Regel ein Haufen Arbeit, so auch hier. Sie organisiert, betreut Pressearbeit, kuratiert, und vom Marmeladekochen entschwindet sie zum Workshop mit angehenden Journalistinnen und Journalisten in ein Studio des WDR. In Gummistiefeln versteht sie es genauso Bella Figura abzugeben wie im Interview mit Künstlern oder Ministern, Bekannte Moderatoren sind durch ihre Schule gegangen, nicht wenige auch durch den Artpark, wo sie innehalten und sich ihr Lieblingskunstwerk erarbeiten. „Kunst ist immer auch eine Herausforderung.“, sagt Hella Sinnhuber. „Man wächst mit ihr“, ergänzt sie und gönnt sich, heimlich und mit einem Lächeln, eine Zigarette. Auch der Artpark wachse und verändere sich. Ständig.

Das gemeinsame Wachsen hat sie schon im Studium praktiziert. Kunst, visuelle Kommunikation und Psychologie hat sie in Hildesheim studiert.Ein bunter Haufen sei das dort gewesen, aus dem viele namhafte kreative Mensche hervorgegangen sind. Seit einem Vierteljahrhundert wächst sie gemeinsam mit dem, der auf der "artpark"-Website als „Motor der Ideen“ gehandelt wird: Bernd Caspar Dietrich.

Das Teamwork haben beide in rund einmal gemeinsamen Viertaljahrhundert so perfektioniert, dass , dass die Namen kaum mehr zu trennen sind. „Hella & Bernd“ gibt es mittlerweile nicht nur als untrennbares Team, sondern auch als Film.  Sie schufen Landschaftskunst am Ostseestrand, erfanden die eine Bowle als „flüssiges Kunstwerk“, gründeten den Artpark und überstanden auch ein schwere Erkrankung.

Geht Bernd Caspar Dietrich er in seine Künstlerwerkstatt, dort wo früher einmal 60 Kälber standen, stützt er sich auf einen Stock. Seine Augen lächeln. Geboren bei Leipzig, aufgewachsen in Bad Pyrmont, mietete er Anfang der 90er sein erstes Atelier in Düsseldorf. Er begann seine Arbeit mit Sand, pendelte eine Weile zwischen Nordamerika und folgte einem Lehrauftrag nach Calgary. Künstlerische Forschungsreisen führten ihn durch Asien und Australien, wo er in Coober Pedi landete, unter der Erde lebte und nach Opalen schürfte. „Ich bin da hingegangen, weil ich reich werden wollte“, sagt er, „aber es hat nicht funktioniert“. Deswegen tropft überall das Gold aus seinen Bildern, und seine Kritik an falschen Hoffnungen und Götzen findet sich vielerorts in seinen Bildern.

Seine Arbeiten sind vielschichtig, ganz buchstäblich; manche offenbaren erst unter UV-Licht ihren tieferen Sinn. Zur Demonstration greift Dietrich zur UV-Licht-Lampe und weist auf den Zyklus von den „Urbanisten“, die sich auf der Erde ausgebreitetet haben, immer einer trügerischen Verheißung folgend. Am Ende aber erweist sich das als Täuschung, und was oberflächlich glänzte wird, in anderem Licht betrachtet, dunkel wie ein Grab. Sein Düsseldorfer Galerist schreibt, Bernd Casper Dietrich sei „durch seine lichtkinetischen Werke als Zero-Künstler der zweiten Generation zu verstehen“.

Eine neue, entscheidende Idee schöpfte er aus der Begegnung mit dem „Big Air Package“, jenem 90 Meter hohen Luftpaket, das Christo 2013 im Gasometer Oberhausen aufpumpte. In dessen Inneren wanderte der Blick unwirkkürlich in die Höhe und verlor sich in einem kreisförmigen, magischen Grauweiß. Seither malt Dietrich seine „Wheels“. An die hundert sind es mittlerweile. Das Grundthema variiert er dabei auf vielfältige Weise, sie wirken wie Meditationen über Farbe und Material. Es wurde das Thema, dass ihm auf dem internationalen Kunstmarkt Fuß fassen ließ. Sogar bei Christie’s wurden seine Wheels bereits versteigert, das letzte im April erreichte mit 56 000 Euro fast das Vierfache des zuvor geschätzten Werts. Eine weitere Versteigerung steht bevor. Auf den Ritterschlag soll nun die Krönung folgen: Christie‘s plant wieder ein Werk aus Schermbeck unter den Hammer zu bringen. Diesmal aber nicht digital, diesmal ganz real, in Paris.

 

Aktuell zu  sehen sind Bernd C. Dietrichs Werke heimatnah im Weseler Wasserturm, der gerade zu einer neuen Kulturstätte umgestaltet wird. Unter dem Titel „twocolours:onebrush“ zeigt er dort Bilder aus seinen Reihen BetonGold und auch den Urbanisten. Diese Werke stehen im Dialog mit Arbeiten von Augustus Goertz, einem New Yorker Künstler, der als „artist in residence“ im Artpark die Ausstellung gemeinsam mit Dietrich zuvor entworfen hat.
Zu sehen sind die Werke vom 21. Juli bis zum 23. August mit zusätzlichen Künstlergesprächen am 25. und 28. Juli sowie am 21. August.