Silent University Ruhr teilt zum Schweigen gebrachtes Wissen
Gute Bildung, akademischer Abschluss, profundes Fachwissen – all dies verliert schnell an Bedeutung, wenn man seine Heimat verlassen muss. Sprachbarrieren, nicht anerkannte Abschlüsse, auch fehlendes (Selbst-)Vertrauen machen es Migrantinnen und Migranten oft schwer bis unmöglich, ihre akademische Arbeit hier fortzuführen. Die Silent University Ruhr will ihnen eine Stimme geben und ein Forum für den Austausch und die Weiterentwicklung bieten.

Foto: Silent University Ruhr
Das Konzept der „Stillen Universitäten“
Die Idee stammt vom kurdischen Künstler Ahmet Ögüt: Er wollte eine solidarische Plattform schaffen, mit der zum Schweigen gebrachtes Wissen wieder hörbar gemacht werden kann. Mehrere Standorte seiner Silent Universities hat er inzwischen initiiert, darunter in London, Stockholm, Hamburg, Amman, Athen, Istanbul, New York – und Mülheim an der Ruhr. Hier haben sich das Impulse Theater Festival, der Ringlokschuppen Ruhr und Urbane Künste Ruhr zusammengetan, um einen „Campus“ mitten in der Stadt zu schaffen. Die alternative Ruhr-Universität hat ihre Basis in der vier.zentrale in der City, zentral und niederschwellig, ohne bürokratische Hindernisse und Sprachbarrieren. Hier lehren und dozieren Menschen, die aufgrund ihres sozialen Status‘ als Geflüchtete ihre Berufe nicht mehr offiziell ausüben können. Sie lehren wie vor ihrer Flucht in ihrer Muttersprache und erhalten so ihre berufliche Identität zurück.
Das Programm der Silent University Ruhr ist breit gefächert: Mit Workshops, Präsentationen, Diskussionsforen, Schulungsprogrammen, Netzwerkveranstaltungen, regelmäßigen Treffen von Frauen- und Männergruppen füllt das Team die Idee der „Stillen Universität“ mit Leben. Hinzu kommen (Inter-)Kulturprojekte, Beratungsdienste und weitere praktische Unterstützungen. Dabei wechseln sich öffentliche und in sich geschlossene Veranstaltungen ab. So entstehen auch, wo nötig, Schutzräume für die Absolventinnen und Absolventen. Über die Homepage der Silent Universities vernetzen sich zudem die einzelnen Standorte. Hier werden auch einzelne Vorträge und Projekte miteinander geteilt.
Die Silent University Ruhr gehört weltweit zu den aktivsten Standorten. Dank der kontinuierlichen Finanzierung kann das Mülheimer Team vieles bewegen. Förderungen kommen u.a. vom Land NRW und vom Kultursekretariat, einzelne Projekte werden auch im Rahmen des Förderfonds Interkultur Ruhr unterstützt.

Fragen an Dr. Bridget Ngencho Fonkeu
Dr. Bridget Fonkeu ist Lektorin der Silent University Ruhr. Die Soziolinguistin und Anglistin hat im Rahmen der SUR u.a. das Netzwerk für akademische Frauen initiiert.
Frau Dr. Fonkeu, welches Ziel verfolgt die Silent University Ruhr?
Die Universität zielt darauf ab, einen Wissensaustausch durch eine Gruppe von Dozenten, Beratern und Forschungsstipendiaten zu etablieren, die aufgrund ihrer Eigenschaft als Asylbewerber, Flüchtlinge oder Einwanderer nicht die Möglichkeit oder das Recht hätten, in ihrem eigenen Beruf zu arbeiten. Eine Plattform zu schaffen, Ressentiments zu vermeiden und Hoffnung zu wecken trotz der Hindernisse, die durch Machtapparate und Sprachbarrieren gelegt werden.
Die Silent University Ruhr gehörte zu den ersten Standorten, an denen das Konzept umgesetzt wurde. Was macht sie aus?
Die Silent University Ruhr hat sich in sehr funktionellen Arbeitsgruppen strukturiert: den Bereich Wissensaustausch, den Informations- und Beratungsdienst, den Bereich Übersetzung und dolmetschen, den Bereich Gender und Empowerment, Vernetzung & Veranstaltungsmanagement und den Bereich für künstlerischen und interkulturellen Austausch. Diese Struktur hat Mitgliedern der Immigranten-Community aus dem Ruhrgebiet und darüber hinaus eine Stimme gegeben und sie ermutigt, eine Plattform des Vertrauens zu schaffen, die aufgrund von Faktoren wie Sprachbarriere, kulturellen Unterschieden usw. von Schüchternheit geprägt gewesen wäre.
Und wie ist die Resonanz?
Eine genaue Statistik über die Anzahl der Personen, die durch das SUR-Konzept erreicht werden, ist schwierig zu erstellen. Es ist jedoch klar, dass die Plattform sowohl für Migranten als auch für Mitglieder der aufnehmenden Communities von Bedeutung ist, die einen Einblick in die Herausforderungen erhalten möchten, mit denen Zuwanderer konfrontiert sind. Das Konzept zielt darauf ab, all diejenigen einzubeziehen und zu unterstützen, die daran interessiert sind, Migranten auf ihrem jeweiligen Weg zu verstehen und zu unterstützen.
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft? Oder anders gefragt: Was haben Sie sich vorgenommen?
Das ist einiges: Wir möchten die etablierten Abteilungen verstärken und Talenten die Möglichkeit geben, ihr Fachwissen unter Beweis zu stellen, Qualifikationslücken zu schließen und einen Beitrag zu ihrem Fachgebiet zu leisten, um so die Integration zu fördern und ihren Wert für die gastgebende Community zu erkennen. Zudem wollen wir stärkere Verbindungen mit anderen Silent Universities schaffen. Last but not least geht es um das Beantragen von Finanzmitteln bei relevanten Institutionen, Organisationen oder Sponsoren das Einwerben von Zuschüssen zur Unterstützung der Aktivitäten der verschiedenen Abteilungen der Silent University Ruhr.