Begegnungen erwünscht bei den 56. Wittener Tagen für neue Kammermusik

Eine Innenstadt voll Bläserklang. Ein angesagter Youtuber, der mit Artefakten aus dem legendären Kölner Studio für Elektronische Musik spielt. Die Stimmen von Mensch und KI im Dialog. Und irgendwann dreht sich im Geiste Karlheinz Stockhausen durch den Raum. Wer zeitgenössische Klangerfahrungen sucht, wird vom 3. bis zum 5. Mai bei den Wittener Tagen für neue Kammermusik wieder einmal zuverlässig fündig.

Um Begegnungen geht es bei der 56. Ausgabe des renommierten Festivals; um Begegnungen zwischen Kulturen und Technologien, zwischen Akteuren und Publikum, zwischen Konzertsaal und Stadt. Zum ersten Mal finden die Wittener Tage unter der künstlerischen Leitung von Patrick Hahn statt, der kein Unbekannter ist. Schon 2003 hat er seinem langjährigen Vorgänger Harry Vogt assistiert und sich zwischenzeitlich selbst als künstlerischer Leiter des Gürzenich Orchesters wie auch als Dramaturg an der Stuttgarter Oper einen Namen gemacht. Die Wittener Tage für Neue Kammermusik, die er nun als zuständiger Redakteur des WDR leitet, sind seiner Wahrnehmung nach nicht weniger als das „wichtigste Festival für neue Kammermusik weltweit“.

Unterfüttert wird dieser Anspruch nicht nur mit großen Namen der Szene wie Milica Djordjevic, deren Raumkomposition das Festival eröffnet. Hannes Seidl, der eine Idee von Karlheinz Stockhausen realisiert, setzt Streicher auf ein sich drehendes Podest. Und Francesca Verunelli, die erst im vergangenen Jahr in Donaueschingen mit dem Orchesterpreis des SWR ausgezeichnet wurde, erkundet musikalisch die „Ränder“. Ihr ist in Witten ein Porträt gewidmet.

Unter dem Titel „Other Histories“ spielt das Ensemble Recherche Stücke von Sara Stefanovic, Monthati Masebe und AJ Villanueva, die Ansätze der Neuen Musik mit ihren „anderen“ Kulturen verknüpfen. In diesem Zusammenhang soll auch ein neuer WDR-Preis für innovative, transtraditionelle Projekte vergeben werden.

Den Synthesizer-Sound elektronischer Pionier-Jahre feiert das Trio Lange/Berweck/Lorenz und wird dabei vom Komponisten und aktuell angesagten Youtuber Hainbach unterstützt, der sich ebenfalls gerne alter Bandmaschinen und Klangerzeuger bedient.  Einen kleinen Traum habe sich Festival-Leiter Patrick Hahn damit erfüllt, wie er sagt: Er wird mit Hainbach im Vorfeld nach Köln-Ossendorf fahren, wo das alte WDR-Studio für Elektronische Musik eine neue Bleibe gefunden hat, um dort gemeinsam das Rohmaterial für die anschließende spätabendliche Performance am 4. Mai vorzubereiten.

Die aktuelle Angesagtheit von Künstlern wie Hainbach sei ein gutes Beispiel dafür, so Hahn, wie die Experimentierfreude der Neuen Musik aus den akademischen Formen ausbricht. Laptop oder Elektronik gehören mittlerweile in vielen Stücken fast standardmäßig zur Aufführung. Gleichzeitig freue er sich aber immer, wenn Leute avancierte Ideen haben, und die dann mit „klassischen“ Instrumenten umzusetzen versuchen. Beim Abschlusskonzert am 5. Mai hat das WDR Sinfonieorchester noch einmal Gelegenheit, seine spielerische Klasse unter Beweis zu stellen, unter anderem in einem „kettensprengenden“ Orchesterwerk von Farzia Fallah.

Ein weiteres Anliegen von Patrick Hahn ist ihm die Einbeziehung der Region. Und tatsächlich wird das Festival spätestens am 4. Mai in Wittern schwer zu überhören sein: Für die Aufführung von „Town Cry“ von Peter Jakober gehen die Wittener Tage vor die Tür und „fluten“ mit 80 Blasinstrumenten die Innenstadt. Umgesetzt wird die „urbane Komposition“ gemeinsam vom Monochrome Projekt und dem örtlichen Blasorchester Blow Witten.

Insgesamt stehen an dem musikalisch dicht gepackten Wochenende 19 Uraufführungen und vier Deutsche Erstaufführungen in 14 Konzerten auf dem Programm.

Einen kompletten Überblick über das Programm gibt es bei WDR3 

Karten zu den Konzerten sind direkt beim Kulturforum Witten erhältlich.

WDR 3 überträgt das gesamte Festival außerdem live oder leicht zeitversetzt im Radio und in der WDR 3 App.