Duisburger Akzente: Von Blutsbanden und Dynastien

Es gibt sie in den Klassikern der Literatur genauso wie im Comic, im Film und in der Oper sowieso. Sie haben Regionen geprägt und durchziehen ganze Stadtteile: Vom 1. bis zum 24. März macht das Duisburger Akzente-Festival die „Familienbande“ zum großen Thema ihrer 45. Auflage.

Es beginnt mit Grünkohl. Doch bei der Neuaufführung der „Intervention!“ von Sven Regener und Leander Haußmann, deren Premiere im März 2023 in Hamburg mit Buh-Rufen endete, lassen es die Duisburger nicht bewenden. „Es wird eher eine ‚Intervention der Intervention’“, erläuterte Akzente-Geschäftsführerin Petra Schröder bei der Präsentation des Programms. Heißt: Die Hamburger Inszenierung wird überarbeitet und auf der Bühne eingeleitet, bevor die sich über Kohl zerstreitende Familie auf einander losgehen darf. Das Herzstück der „Akzente“ sei schließlich ein Theatertreffen, so Schröder, und so landete die dramaturgische Steilvorlage als Auftakt im Programm. Kleists „Familie Schroffenstein“ und Astrid Lindgrens „Ronja Räubertochter“ sind nur die bekannteren unter den Namen der weiteren Inszenierungen, die zu sehen sein werden.

Glück, Heimat, Macht und Moral: Es sind gern die großen Fragen, denen sich das Festival, das seit 1995 vom Land NRW getragen wird, widmet. Diesmal also die „Familienbande“, denen in rund neunzig Veranstaltungen künstlerisch nachgegangen wird. Hochkultur trifft Subkultur, von Verdis sakralen „Stabat mater“ bis zum mobilen Ausstellungsraum im Auto reicht die Bandbreite, die auf 92 Seiten des Programmhefts untergebracht wurde und sich natürlich auch im Internet findet.

Besonders stolz ist das Duisburger Akzente-Team auf eine Kooperation mit World Press Photo. Statt der üblichen anderthalb Jahre, die eine Kooperation üblicherweise an Vorlauf braucht, habe man es in nur sechs Monaten geschafft. „Ties that bind“ heißt die Auswahl von 70 prämierten Bildern, die, ebenso publikumswirksam wie eindrucksvoll, in der Kulturkirche Liebfrauen zu sehen sein werden. Sie zeigen Familien aus aller Welt und unterschiedlichsten sozialen Kontexten.

Neben der Innenstadt steht das Kreativquartier in Ruhrort im Zentrum des kulturellen Geschehens. Rund um den Neumarkt stellt eine Ausstellung im öffentlichen Raum die Grundsatzfrage, was denn eine Familie überhaupt ist, und nebenan, im Lokal Harmonie, wird gleich der ganze Stadtteil performativ als Familie unter die Lupe genommen. Blutsbande überall.

Sogar das Ruhrgebiet erscheint vor diesem Hintergrund im neuen Licht. Dass die Region ein Kind der Industrialisierung ist, gilt als ausgemacht. Dass sie aber schon weit vorher eine rege Handels- und Kulturlandschaft war, dringt kaum ins Bewusstsein. Das Festival lenkt den Blick daher auf die großen Familien und Dynastien, in Duisburg beispielsweise die Lehnkerings und Mercators, die die Entwicklung maßgeblich geprägt haben.

Die Verbindung zum „Paten“, in restaurierter Fassung zu sehen im filmforum, ist da schnell hergestellt. Auch andere Filmklassiker stehen auf dem Programm, die Palette reicht von einer Stummfilm-Version der „Buddenbrooks“ bis „Psycho“. Wem das zu strapaziös ist, schaue in der VHS vorbei. Dort stehen mit den Daltons, den Panzerknackern und anderen die skurrilen Familienverhältnisse im Comic zur Debatte.