Hagener Köpfe – Industriegeschichte in Videoporträts
Eine neue Videoreihe der FernUniversität in Hagen erzählt die Industriegeschichte der Stadt in Familiengeschichten. Insgesamt sind fünf spannende Filme entstanden, die sehr persönliche Einblicke in die bewegte Historie Hagener Unternehmerdynastien geben.
Industrialisierungsgeschichte als Familiengeschichte: Die Reihe „Hagener Köpfe“ ist ein Projekt am Institut für Geschichte und Biographie an der FernUniversität in Hagen. Dafür wurden Interviews mit Nachfahren bekannter Unternehmerfamilien nach der sogenannten Oral-History-Methode geführt. Die Ergebnisse sind jetzt auf YouTube zu sehen. In den zum Teil sehr persönlichen Videoporträts schildern fünf Nachfahren der Dynastien Harkort, Wälzholz, Osthaus und Eversbusch wie es ist, einer alteingesessenen Hagener Industriellenfamilie anzugehören. Die kleinen Filme geben Auskunft über die spezifische Verbindung von Familien- und Firmengeschichte in einer Industriestadt wie Hagen, aber auch über Lebenswelten und Erinnerungskulturen. Die Struktur von Familienunternehmen schuf nach außen Vertrauen, bot nach innen aber auch jede Menge Stoff für Konflikte aller Art.
Nachkommen erzählen
Die Industrialisierungsgeschichte des Ruhrgebiets war im 19. Jahrhundert geprägt von Unternehmerdynastien. Über die Grenzen der Region hinaus bekannt sind vor allem die Familien Osthaus und Harkort, die mit dem Hohenhof und dem Haus Harkorten auch wichtige architekturgeschichtliche Marksteine hinterlassen haben. Noch heute ist der Einfluss dieser Familien spürbar. Sie waren nicht nur als Arbeitgeber, sondern auch als Kunstmäzene und Förderer sozialer Einrichtungen präsent. Dr. Eva Ochs ist Historikerin an der FernUni und forscht seit langem zum Thema „Industriellenfamilien“. Für ihr Projekt „Hagener Köpfe“ hat sie Interviews mit Nachkommen der Unternehmensfamilien geführt. So zum Beispiel mit der Lehrerin Karin Harkort, die der weitverzweigten Familie Harkort angehört, deren prominentester Vertreter der „Vater des Ruhrgebiets“ und Industriepionier Friedrich Harkort (geb. 1793) ist. Die Brüder Christoph und Peter Eversbusch betreiben in sechster Generation die Wachholderbrennerei Eversbusch (seit 1817) im Hagener Stadtteil Haspe als Familienunternehmen. Nach dem plötzlichen Tod des Vaters waren sie als junge Männer vor die Aufgabe gestellt, das alteingesessene Unternehmen weiterzuführen. Dr. Toni Junius leitet heute das mittelständische Bandstahlunternehmen C. D. Waelzholz (seit 1829) als Nachfahre des Firmengründers. Im Video erfahren Zuschauerinnen und Zuschauer, wie er erst langsam in das Unternehmen hineinwuchs und lange Jahre in anderen Firmen Erfahrungen sammelte. Die Erinnerung an seine Vorgänger und Vorfahren hat ihm Mut in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gegeben. In einem weiteren Video kommt der Landschaftsarchitekt Martin Duthweiler zu Wort. Er ist der Großenkel des Hagener Kunstmäzens und Begründers des Museum Folkwang Karl-Ernst Osthaus. Er erläutert sein Engagement für den künstlerischen Nachlass des Urgroßvaters und beschreibt auch die Tragik, die der frühe Tod von Osthaus und der Wegzug der Kinder aus der Hagener Villa Hohenhof für den Familienverbund hatte.
Zeitzeugeninterviews bei YouTube
Fünf Videos sind entstanden. Sie sollen in verschiedene museale Projekte einbezogen werden, so zum Beispiel auch auf der Route Industriekultur. Finanziell gefördert wurde das Vorhaben von der Stadt Hagen und vom Regionalverband Ruhr (RVR) mit jeweils 5.000 Euro. Die ungekürzten Fassungen der Zeitzeugeninterviews werden im Archiv Deutsches Gedächtnis aufbewahrt, das zum Hagener Institut für Geschichte und Biographie gehört. Es umfasst mittlerweile mehr als 3.700 Videos, dazu Briefe, Tagebücher und andere schriftliche Lebenserinnerungen.
Die vier Videoporträts und ein Kurzclip der „Hagener Köpfe“ sind bei YouTube abrufbar.