Im Profil: Alexander Waldhelm

Und wieder waren alle gekommen: Fritz Eckenga, Gerburg Jahnke, Uwe Lyko und einige mehr. Die Größen der Kabarett- Szene des Ruhrgebiets hat Alexander Waldhelm in einem Film versammelt, wieder einmal. Die Essener Lichtburg war voll bei der Premiere von „Darf ich das so schreiben“. Und während sein dritter Film über die skurrilen Eigenheiten des Ruhrgebiets derzeit noch durch die Programmkinos zieht, entsteht im Kopf des Mülheimers bereits Teil vier. Dabei ist er Filmemacher nur aus Leidenschaft – und Langeweile. 
 

Donnerstags, abends, die Eckkneipe in Eppinghofen: Hier, wo schon etliche Filmszenen spielten, ist sein zweites Büro. Hier kennt er jeden, hat oft einen lockeren Spruch auf den Lippen. sitzt auch schon mal mit dem Laptop an der Theke und tippt. Das Drehbuch für den aktuellen Film erzählt von den Erlebnissen eines jungen Lokalreporters zwischen Dackelzüchtern und Straßenumfrage ? also das, was er aus eigener Erfahrung bestens kennt.  Er schreibt für die WAZ in Mülheim, nebenbei, weil der Job noch Luft lässt. Und Leerlauf, das ist nichts, was er mag.
Was er mag, sind Filme. Wenn andere in den 90ern an der Konsole zockten, schaute der gebürtige Oberhausener mit seinen Kumpels begeistert Videotheken leer. Bis zu sieben Filme pro Abend und Nacht. „Jede Oskar -Verleihung habe ich damals live gesehen“, sagt der 48jährige. Kürzlich hat er sich einen Traum erfüllt und besuchte die vier großen Filmstudios in Los Angeles. Von eigener Filmarbeit findet sich in seiner Vita aber lange keine Spur.
Alexander Waldhelm war Fallschirmjäger, vier Jahre bei der Polizei, jobbte bei der Lokalzeitung, hat in Bochum das Studium „stumpf systematisch“ auf Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zugeschnitten, verdient sein Geld genau damit jetzt in Düsseldorf.
Das heißt: Täglich fünfundzwanzig Minuten im Regionalexpress hin. Und wieder zurück. Leerlauf. „Das war für mich die Hölle“, sagt Waldhelm. Also fing er auch hier an zu schreiben. „Wenn ich was Lustiges erlebt habe, habe ich es in den Laptop getippt“. Als dann noch ein alter Kumpel sagte, er würde für einen Film die Kamera machen, „da bin ich ins Grübeln gekommen: Drehbuch? Schreibe ich selbst. Regie und Vertrieb mache ich auch, einen Kameramann habe ich jetzt, und Leute für vor der Kamera zu kriegen, ist nie das Problem“. Was er allerdings verhindern wollte, ist, einen Film zu machen, mit Leuten, die keiner kennt: „Das will keiner sehen.“
Als ersten fragte er Andi Brings, Rockmusiker, Mülheimer Szenegröße, Nachbar. Der war sofort dabei. Mit dem Bochumer Kabarettisten Christian Hirdes hat er früher Tischtennis gespielt. War auch sofort im Boot.  Renè Steinberg? „Ich war damals Vorsitzender des Tischtennisvereins, in dem seine Tochter spielte“. Auch dabei. Mit den drei Namen ging er zu Gerburg Jahnke, die hat auch sofort zugesagt. Dann Schmickler und Eckenga. „Ich habe nahezu nur offene Türen eingerannt“, erinnert sich Waldhelm. Torsten Sträter, Manni Breuckmann, Kai Magnus Sting. Als der Erstling „Pottkinder“ 2017 auf die Leinwand kam, war die Lichtburg, Deutschlands größter Kinosaal, bei der Premiere voll. Das Oberhausener Ebertbad:  zwei Mal ausverkauft. 
 

Es wurde ein Klassentreffen der Revier-Granden, und die Medien sprachen über den Mülheimer, der die großen Namen der regionalen Szene zusammen auf die Leinwand gebracht hat.
Er selbst sagt: „Ich könnte mir den nicht mehr angucken heutzutage. Viel zu lang“. Der zweite Film, „Beziehungen“ war schon kürzer. Der dritte, der aktuelle, sei „unzweifelhaft“ der beste; der kürzeste ist er auch.
Inhaltlich habe er sich mit jedem Film weiterentwickelt. Die Finanzierung allerdings ist geblieben: Low-Budget.  Seinem ursprünglichen Plan nach sollten die Einspielergebnisse des einen  Films jeweils den nächsten finanzieren. „Das hat bisher noch nicht im Ansatz geklappt“, sagt Waldhelm. Private Stiftungen geben etwas hinzu, Mittelständler, deren Firmen eingebaut werden. CDs werden gerne an Mitarbeiter und Geschäftspartner verschenkt. „Für den ersten Film wurde sogar ein Förderverein gegründet. Der Vorsitzende war der Herr da vorne“, sagt Waldhelm und winkt durchs Lokal. Das allermeiste sei per Handschlag gegangen. „Und es hat noch nie Ärger gegeben“. 
Eine Zukunft als Filmemacher sieht er für sich dennoch nicht. Er verdient sein Geld im öffentlichen Dienst, „und ich müsste mit dem Klammerbeutel  gepudert sein, wenn ich da noch mal weg gehe“. Zu viel Unsicherheit, zu wenig Chancen für Seiteneinsteiger in der Kulturszene. „Konservativer als er aussieht“ habe mal auf einer Setkarte über ihn gestanden. Das treffe wohl zu. 
Aber auch wenn es nichts  zu verdienen gebe: Das Regieführen sei für ihn eigentlich schon Belohnung genug. Und die Kontakte. „2006 habe ich über Volker Pispers in der Mülheimer Stadthalle geschrieben. Dreizehn Jahre später bietet er mir am Filmset das Du an – das war schon ein Fest!“ 
Deshalb laufen auch schon die Vorbereitung für den nächsten Waldhelm-Streifen "Das Wunder von Bernd", einen Episodenfilm, auf Hochtouren. Wer als Förderer einsteigt, kann unter anderem einen Platz neben den Comedy-Ikonen vor der Kamera ergattern. Läuft alles nach Plan, wird 2026 einmal mehr der rote Teppich ausgerollt.
Bleibt die Frage, was denn jetzt eigentlich mehr Ruhrgebiet ist: Dier Filme? Oder ihre Entstehung? „Eine gute Frage“, sagt Alexander Waldhelm und lacht. „Da spielt wohl beides gut rein“, sagt er. Dann schnellt sein Blick zum Billardtisch: „Schöner Stoß!“