Hip-Hop made im Ruhrgebiet: Zekai Fenerci über das Urban Arts Ensemble Ruhr

Die Metropole Ruhr  ist seit Anfang 2023 Basis der ersten professionellen Hip-Hop-Tanzcompagnie Deutschlands. Das Urban Arts Ensemble Ruhr soll dazu beitragen, die Metropole Ruhr dauerhaft als Heimat des Hip-Hop zu etablieren. Wie das funktionieren kann, erklärt der künstlerische Leiter Zekai Fenerci im Interview.

Sieben internationale Künstlerinnen und Künstler bilden das Urban Arts Ensemble Ruhr unter dem Dach des Herner Vereins Pottporus, der bereits das wegweisende Tanzkollektiv Renegade managte. Das Land NRW unterstützt die Compagnie zunächst bis 2025 mit 300.000 Euro jährlich. „Cracks“, die erste Produktion der internationalen Compagnie unter Leitung des Gast-Choreografen Rauf Yasit, hat bereits Ende Oktober 2023 auf PACT Zollverein in Essen Uraufführung gefeiert, danach gingen die Tänzerinnen und Tänzer auf Tour durch Kuba. Wie die ersten Erfahrungen das Urban Arts Ensemble Ruhr prägen und was die Compagnie noch erreichen will, erklärt der künstlerische Leiter Zekai Fenerci im Interview.

Herr Fenerci, was nehmen sie aus diesen ersten Monaten der gemeinsamen Arbeit mit dem Ensemble mit für die künftige Arbeit und Ausrichtung des Urban Arts Ensembles Ruhr?

„Ich bin grundsätzlich happy, dass wir unsere erste Feuerprobe bestanden haben. Uns ist wichtig, eine bestimmte Ästhetik und Qualität auf die Bühne zu bringen und damit zu zeigen: Hier im Ruhrgebiet entsteht etwas, das weltweit den Ansprüchen an Urban Arts standhalten kann. Mit der ersten Produktion haben wir da Stufe eins erreicht und uns eine Position erarbeitet.

Zur Premiere auf PACT Zollverein hatten wir viel Fachpublikum – Tänzerinnen und Tänzer, Dramaturgen – aber auch viele, die uns bei Pottporus schon seit Jahren begleiten. Das war wichtig, um so viel Feedback wie möglich zu bekommen. Und man sieht: Wir schaffen es, ein sehr diverses Publikum anzusprechen. Schon mit anderen Projekten haben wir in den vergangenen zehn bis 15 Jahren ein Publikum erreicht, das die etablierten Häuser sonst nicht erreichen. Wir streben auch für die nächsten dreieinhalb Jahre eine enge Kooperation mit PACT Zollverein an.“

Was kann und soll das Urban Arts Ensemble Ruhr denn mit seiner Arbeit erreichen?

„Wir verfolgen mit dem Urban Arts Ensemble Ruhr mehrere Ansätze: Mit der Förderung verbindet sich natürlich die Zielsetzung, die Metropole der kreativen jungen Künstler und Künstlerinnen zu werden. Die jungen Menschen sollen in der Region bleiben.

Zweites Ziel ist es, die Kunstformen Hip-Hop und Urban Arts aus dem Schatten der Hochkultur zu holen. Hip-Hop muss als Kunstform für sich stehen und förderfähig sein. Da ist es uns als Pottporus e. V. ja schon gelungen, Urban Arts bei der Ruhrkonferenz in den Fokus zu rücken. Das Pottporus-Projekt Renegade hat gezeigt: Es geht noch mehr, wir brauchen aber feste Strukturen. Also: Es muss ein Ensemble geben. Und das haben wir erreicht. Es geht da nicht nur um die tänzerische Position, wir wollen auch zeigen: Mit Hip-Hop kannst Du im Ruhrgebiet Fuß fassen, einen Job finden.

Deshalb ist es eines unserer Ziele, einen festen Spielort zu finden, an dem sich das Ensemble niederlassen kann, einen Ort für die gesamte Hip-Hop-Kultur. Die permanente Sichtbarkeit ist nötig.

Die Compagnie ist ja in dieser Konstellation noch sehr jung, und die erste Produktion ist in Rekordzeit auf die Bühne gekommen. War da Zeit, als Ensemble zusammenzuwachsen und anzukommen?

Der reine Hip-Hop hat in NRW eine hohe Qualität, er kann sich international sehen lassen. Tänzerinnen und Tänzer, die zu uns kommen, sind international top, Ikonen ihrer Stile. Und Pottporus ist europaweit eine Nummer – eine, die man nicht aus Herne erwartet. Deshalb ist das Projekt attraktiv.

Die aktuelle Crew kommt aus Zypern, Mexiko, Russland und Deutschland. Auf unseren Aufruf hin hatten sich mehr als 90 Künstlerinnen und Künstler beworben – wir haben die besten der neuen Generation ausgesucht für das Urban Arts Ensemble Ruhr.

Und was das Ankommen angeht: Die Mitglieder haben schon Residenzpflicht. Sie leben in einer Künstler-WG in Wanne und müssen sich so zwangsläufig mit uns und der Region auseinandersetzen. Sie sind hier integriert und fühlen sich sehr wohl.

Was sind die Pläne für die Zukunft?

Das Ensemble bleibt in dieser Konstellation bis Mitte 2025 zusammen. Gerade waren sie auf Tour durch Kuba. Die nächste Produktion startet im Februar, im April feiern wir Premiere in Oberhausen. Zudem wird es weitere Gastspiele geben.

Ziel ist es natürlich, die Förderung zu verstetigen und das Urban Arts Ensemble Ruhr langfristig zu etablieren – und damit den Hip-Hop im Ruhrgebiet klar zu positionieren und zu verankern. Hip-Hop hat in ganz NRW eine große Community, da gibt es die Möglichkeit, zusammen mit den Theatern neue Zielgruppen für die etablierten Häuser zu erreichen.

Nachtrag:

Die neue Produktion „MC Messer“ kommt am 19. April in Kooperation mit dem Theater Oberhausen zur Uraufführung und wird gefördert durch das NRW-Ministerium für Kultur und Wissenschaft im Rahmen des Programms Neue Künste Ruhr. Auf der Bühne der größten Produktion aller Zeiten von Pottporus sind sieben Tänzerinnen und Tänzer des internationalen Urban Arts Ensemble Ruhr, drei Schauspielerinnen und Schauspieler, zwei Rapperinnen und Rapper sowie fünf Live-Musikerinnen/Musiker. MC Messer ist zugleich die erste Sprechtheaterproduktion in der Kombination aus urbanem Tanztheater sowie Musiktheater mit Orchestermusikerinnen und -musikern und Live-Hip-Hop. Regie führt der Opern-, Film- und Theaterregisseur Neco Çelik (HAU Berlin, Staatsoper Stuttgart, Staatsoper Unter den Linden, Deutscher Theaterpreis Der Faust).

Zur Person: Zekai Fenerci

Zekai Fenerci (Jahrgang 1972) gehört zu den Vordenkern der Hip-Hop-Szene im Ruhrgebiet – und zu ihren wichtigsten Protagonisten. 2003 gründete er das Tanzkollektiv Renegade, das Hip-Hop auch auf etablierte Bühnen wie das Schauspielhaus Bochum brachte. 2007 war er Mitbegründer des Herner Vereins Pottporus, der als Pionier der Szene Projekte in allen Bereichen der Hip-Hop-Kultur produziert. Sowohl für den Verein als auch für das Urban Arts Ensemble Ruhr fungiert Fenerci als künstlerischer Leiter und Geschäftsführer.