Ruhrfestspiele zwischen „Rage und Respekt“

Mehr als 70 Jahre alt, traditionell im besten Sinne – und gesellschaftlich wie politisch doch immer hochaktuell: Die Ruhrfestspiele sind Vorreiter und Verfechter des Gedankens der „Kultur für alle“. In diesem Jahr stellt das internationale, genreübergreifende und politisch motivierte Festival sein Programm vom 1. Mai bis zum 11. Juni unter das Motto „Rage und Respekt“.

90 Produktionen in knapp sechs Wochen

Ukraine-Krieg, Klimawandel, Proteste im Iran: Die Ruhrfestspiele Recklinghausen wollen zeigen, dass Kultur Teil einer Lösung für aktuelle Herausforderungen sein kann. Vom 1. Mai bis zum 11. Juni stehen Schauspiel- und Tanzproduktionen, Literatur, Neuer Zirkus, Kinder- und Jugendtheater, Performanceproduktionen, Bildende Kunst sowie Musik- und Kabarett auf dem Programm. 90 Produktionen - darunter zwei Uraufführungen, zwei Europapremieren, fünf Deutschlandpremieren und zwei Eigenproduktionen - sind geplant.

Internationale Produktionen, namhafte Künstlerinnen und Künstler, große Themen – die Ruhrfestspiele stellen sicher, dass ihre Botschaften ankommen. „Die Kunst und das Theater können nicht nur durch ihre Themen und Geschichten Brücken schlagen, sie können durch Begegnung und Austausch für Verständnis werben, das Andere, das bisher Nicht-Gedachte, das Unbekannte, das Verschlüsselte, das Ungeheuerliche zeigen, ebenso wie das Schöne, Komische und Versöhnliche“, das gibt Intendant Olaf Kröck dem Publikum in seinem Programmvorwort mit auf den Weg. Den Leitgedanken, alle Menschen mitzunehmen und für Kultur zu begeistern, lebt das Festival dabei traditionell mit dem großen Eröffnungsfest „auf dem grünen Hügel“ rund um das Festspielhaus am 1. Mai. Für alle, umsonst und draußen. Mit Kultur, Kundgebung und Bewegung.

Eröffnung mit Deutschlandpremiere

Feierliche Eröffnung feiern die Festspiele am 3. Mai. Die diesjährige Eröffnungsrede hält die Autorin und Übersetzerin Anne Weber. Es folgt als Eröffnungsinszenierung die Deutschlandpremiere „Drive Your Plow Over the Bones of the Dead“, eine Koproduktion mit dem Kollektiv Complicité nach dem Roman von Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk. Als Janina Duszejko steht die bekannte britische Schauspielerin Kathryn Hunter auf der Recklinghäuser Bühne. Das Schauspiel nach dem Roman der Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk beschwört die gefährlichen Folgen des Verlusts unserer Verbindung zur Umwelt. Die Protagonistin beobachtet in dem kleinen polnischen Dorf, in dem sie lebt, ein seltsames Verhalten bei den Tieren der Umgebung. Und dann kommen auch noch mehrere Mitbürger auf seltsame Weise ums Leben.

Aktuelle Themen auf der Bühne

Am Tag nach der Eröffnung präsentieren die Ruhrfestspiele als Deutschlandpremiere mit „Tempest Project“ die letzte Regiearbeit von Peter Brook. Im Zentrum des Spielplans stehen zudem politisch motivierte Inszenierungen wie „Pah-Lak“ als erstes Gastspiel des vom 14. Dalai Lama gegründeten Tibet Theatre, die Uraufführung „And now Hanau“ von Tu?sal Mo?ul sowie das Gastspiel vom Thalia Theater „Der Wij“. Die Inszenierung „Einer flog über das Kuckucksnest“ unter Regie von Leander Haußmann erregte gerade in Berlin viel Aufmerksamkeit. Zum Ensemble gehören Menschen mit Behinderungen. Als eine der internationalen Produktionen haben die Ruhrfestspiele Isabella Rossellini mit ihrem Soloabend „Darwin’s Smile“ eingeladen.

Von Literaturgesprächen bis zu Wort-Musik-Collagen

Im Bereich Literatur sind Judith Hermann, Mithu Sanyal und Christoph Ransmayr bei dem Buchkritiker und Moderator Denis Scheck zu Gast. Mit thematisch in den Spielplan eingebetteten Lesungen kommen u. a. Schauspielerin Paula Beer und Devid Striesow nach Recklinghausen. Außerdem präsentieren die Ruhrfestspiele mit „Resonanzen – Schwarze Literatur und Lesarten“ einen Abend im Zeichen Schwarzer Gegenwartsliteratur mit afrodiasporischen Experten. Ein „Resonanzen-Festival“ soll es 2024 wieder geben.

Im Tanz zeigen die Ruhrfestspiele in diesem Jahr vier internationale Arbeiten: „Soul Chain“, choreografiert von Sharon Eyal (tanzmainz), „Manifesto“, die neue Choreografie von Stephanie Lake aus Australien als Europapremiere, „Nutcrusher“ von Sung Im Her als Deutschlandpremiere und „In C“, eine Einstudierung der Choreografie von Sasha Waltz mit Studierenden des Instituts für Zeitgenössischen Tanz der Folkwang Universität der Künste. Auch in allen anderen Programmsparten locken große und kleine Entdeckungen wie die Ausstellung der bildenden Künstlerin Ângela Ferreira in der Kunsthalle Recklinghausen, das Liebeslied-Projekt „RadiOh Europa“ von Action Hero, Neuer Zirkus mit „Humans 2.0“ des australischen Circa Contemporary Circus oder die Wort-Musik-Collage „Die Berkwerke zu Falun“ von E.T.A. Hoffmann mit Schauspieler Matthias Brandt Oscar-Preisträger Hauschka. Informationen und Programm unter http://ruhrfestspiele.de