Das Festival der angewandten Vielseitigkeit

Bühne der Nachbarschaften, Experimentierfeld, Ort der Begegnungen, Denkfabrik, Gestaltungsraum - die Szeniale im Gelsenkirchener Kreativquartier Ückendorf sprengt die übliche Definition des ohnehin dehnbaren Begriffs "Festival". Elf Stunden lang gehen Quartier und Kunst eine Verbindung ein, die sich in mehr als 80 Programmen an 30 Locations Ausdruck verschafft.

Szeniale "findet stadt!" - das ist das Leitmotiv der diesjährigen Festivalausgabe der Szeniale am Samstag, 24. August. Von 11 bis 22 Uhr setzen sich rund 100 Künstlerinnen und Künstler aus Gelsenkirchen, aber auch aus der Nachbarschaft und auch dem näheren Ausland mit Fragen des urbanen (Zusammen-)Lebens auseinander. Spartenübergreifend sind Projekte und Inszenierungen aus Literatur, Musik, Schauspiel, Performance, Tanz, Bildender Kunst, Fotografie und Film zu erleben, in Kneipen, Ateliers, im Justizzentrum oder im Soziokulturellen Zentrum.

Ein "Festival der angewandten Vielseitigkeit" soll es sein, eines, das Fragen stellt, aber auch beantwortet. Immer im Fokus: das Quartier Ückendorf. "Unsere Intention war sehr konkret, wir nennen es `eine Bühne der Nachbarschaft` zu schaffen". Christoph Lammert gehört zu den Ückendorfern, die die Szeniale tragen. Und nicht nur das: Er hat das Format zusammen mit anderen Kulturschaffenden aus dem Quartier entwickelt. Gemeinsam haben sie aus der Idee der Politik, einen Tag der Freien Kultur in Gelsenkirchen auf die Beine zu stellen, etwas ganz Eigenes kreiert: ein Festival aus, mit und wegen Ückendorf. "Wir haben uns gesagt: Warum sollen wir in Gelsenkirchen immer so bescheiden sein? Wir machen ein ganzes Festival. Und das ist uns so gut gelungen, dass die Presse 2019 schrieb: Die Szeniale ist jetzt eine Marke Gelsenkirchens". Damit war der Grundstein für die Weiterentwicklung gelegt.

Heute bringt der Open Call auch Künstler und Künstlerinnen aus Köln, Berlin oder sogar Luxemburg ins Ruhrgebiet. So wie Musiker und Performer Oliver Bedorf. Der Kölner präsentiert mit "Platzresonanz" Geräusche aus der Stadt, musikalisch bearbeitet per Ghettoblaster als Sound- und Bewegungsperformance auf dem Vorplatz des Justizzentrums (Samstagabend um 21.15 Uhr und 22.15 Uhr am Justizzentrum).

Einmal mehr spielt auch die Heilig-Kreuz-Kirche eine tragende Rolle: Sie ist eine von vier Haupt-Musikbühnen der Szeniale. Unter anderem tritt hier die deutschsprachige Musikband Wandermaler mit melodisch anspruchsvoller, lyrischer Pop-Musik mit Jazz-, Rock- und Liedermacher-Einflüssen auf. Musikerin Sophia Stürmer reiste sogar bereits eine Woche vorher an, um mit Eindrücken aus Auftritten als Straßenmusikerin ein eigenes Gelsenkirchen-Lied zur Szeniale zu erschaffen. Und im GeOrgel präsentiert die Band desolat ihr vor Kurzem releastes Album "Ückendorfication" in einem einzigartigen tiny desk Set.

Den Auftakt des Festivals markiert aber eine Eigenproduktion - eine, die das Leitmotiv "findet stadt!" in besonderer Weise mit Leben füllt: Das spartenübergreifende Projekt "Vom Klang der erträumten Stadt" macht das Urbane in Text und Klang erfahrbar. Was gibt es hier, was ist zu hören und zu riechen, vielleicht auch zu tasten und zu schmecken, zu sehen oder zu erleben? Beteiligt am Szeniale-Projekt sind der Komponist Michael Em Walter, die Autorin Carola Gruber (Gelsenkirchens writer in residence 2021), die Elektro-Musiker Lukas Hermann und Rasmus Nordholt-Frieling, Christoph Lammert (Idee und Prolog) sowie weitere Musikerinnen und Musiker. In drei Sätzen, eigens komponiert zu den in Schreibwerkstätten entwickelten Texten, entspinnt sich eine "Fantasie der Stadt".

Der Eintritt zum kompletten Szeniale-Programm ist frei. Alle Events und Orte liefert die App.